Geliebte Senioren Im Zoo leben Tiere deutlich länger als in der Wildbahn Ronan und Friederike legen sich gerne ab. Die 16jährigen Pferde- antilopen sind eben keine jun- gen Hüpfer mehr. Ute wird täglich mit eingeweichtem Heu und weichen Pel- lets gefüttert – mit ihren 13 Jahren hat die Zwergziege Schwierigkeiten beim Kauen. Wenn Zootiere ins Seniorenal- ter kommen, haben sie oft dieselben Beschwerden wie wir Menschen. Lie- bevoll kümmern sich dann Tierpfleger und Tierärzte um ihre greisen Schütz- linge. Auch die regelmäßige Zahnkontrolle lässt Indra geduldig über sich ergehen. Einer ihrer Backenzähne wuchs schief, konnte deshalb nicht herauswachsen und musste abgesägt werden. „Das passiert schon mal“, so Gurdulic´, „muss aber jetzt beobachtet werden.“ Elefanten haben auf jeder Kieferseite immer nur einen (langen) Backenzahn, der von dem aus der Backe nachwach- senden nach vorne geschoben wird. Fünfmal wechseln Elefanten in ihrem Leben so die Zähne, bis sie im hohen Alter tatsächlich zahnlos sind. In der Wildbahn würden die Tiere dann ver- hungern. Der Zoo dagegen ist für diese ten Fuß nicht. Dann bleibt er lieber im Haus im Warmen. Alles klar. Morgens schläft Max gerne extrem lang aus. Kein Problem. Manchmal jammert er ein wenig zu gerne – ihm fehlt dann gar nichts, er möchte einfach Zuwendung bekommen. Kriegt er. Sein Futter wird ihm hinter den Kulissen serviert, damit die Tierpfleger beobachten können, ob er ausreichend frisst. Außerdem bekommt er hochkalorische Getränke mit dem kompletten Nährstoffspekt- rum in einer Flasche, wie sie auch oft in Altersheimen angeboten werden. Die Tierpfleger passen auf, dass er ge- nügend trinkt, das vergisst er nämlich Größenvergleich: Backenzahn eines Elefanten und menschliche Hand Zeit vorbereitet: „Wenn Indra ihre letz- ten Zähne verliert, füttern wir sie mit Spezialnahrung.“ So ist das. Auch auf die altersbedingten Eigen- heiten ihrer Schützlinge hat sich das Zooteam eingestellt. Indra schläft lieber allein, getrennt von der Herde, und trainiert auch lieber allein mit ihren Pflegern – ohne rüsseltragende Zuschauer. Außerdem mag sie es, mor- gens mit einer Extra-Leckerei begrüßt zu werden. „Sie ist eben ein bisschen eigenbrötlerisch“, nennt Dörte Gurdu- lic´ es schmunzelnd. Schimpanse Max, mit jetzt 56 Jahren das älteste Tier im Zoo, stellt seine Pfleger vor so manche Herausforde- rung. Nasses Wetter mag er gar nicht, das bekommt seinem Rheuma im rech- manchmal. Vergesslichkeit im Alter gibt es eben auch bei Tieren. Das Krankheitsspektrum der Tierse- nioren reicht wie bei Menschen von chronischen Gelenkentzündungen über Herz-Kreislaufprobleme, Gefäß- verengungen (Arteriosklerose), Zahn- ausfall, grauen Star, Immunschwäche, Verdauungsstörungen, Niereninsuffi- zienz – besonders bei Großkatzen –, Gicht, Rheuma, Osteoporose, Haar- ausfall und Diabetes bis zu Tumoren. In der Wildbahn erreichen Tiere selten das Höchstalter. Wer dort alt ist, ist zu- gleich leichte Beute. Oder kann selbst nicht mehr auf die Jagd und Futtersu- che gehen. Im Zoo dagegen werden die Tiere deutlich älter. Hier gibt es keine natürlichen Feinde, dafür immer aus- Indra: Geduldiger Patient Indra zum Beispiel, die 47jährige Ele- fantenkuh, hat Zahnprobleme und einen Abszess an der Schulter, der altersbedingt – ebenfalls wie beim Menschen – schlechter heilt. Mit En- gelsgeduld behandeln die Tierpfleger die stolze Leitkuh, die sich für die Prozedur bereitwillig an die Behand- lungswand lehnt. „Sie kennt das schon und weiß, was sie erwartet“, sagt Tier- pflegerin Dörte Gurdulic´: eine Extra- Leckerei als Belohnung. 20 · Jambo! · Herbst 2020